Zitatesammlung

Gott sagt nicht: «Das ist ein Weg zu mir, das aber nicht», sondern er sagt: «Alles, was du tust, kann ein Weg zu mir sein, wenn du es nur so tust, dass es dich zu mir führt.» Was aber dies ist, das eben dieser Mensch und kein anderer tun kann und tun soll, kann ihm nur aus ihm selber offenbar werden. Hier kann nur irreführen, wenn einer darauf schaut, wie weit es ein anderer gebracht hat, und es ihm nachzutun trachtet; denn dabei entgeht ihm eben, wozu er und nur er allein berufen ist. ([2], S. 69)

Du musst selber anfangen. Das Sein wird dir sinnlos bleiben, wenn du nicht selber, liebend-tätig in es eingehst und den Sinn in ihm erschliessest; alles will geheiligt, das heisst in seinem Sinn erschlossen und verwirklicht werden durch dich. Um deines Anfangs willen hat Gott die Welt erschaffen. ([3], S. 19)

Ein Mönch sah ein kleines Mädchen auf der Strasse, zitternd und in einem dünnen Kleid, ohne Hoffnung, etwas Warmes zu essen zu bekommen. Er wurde zornig und sagte zu Gott: «Wie kannst Du das zulassen? Warum tust du nichts dagegen?» Eine zeitlang sagte Gott nichts. Aber in der Nacht antwortete er ganz plötzlich: «Ich habe wohl etwas dagegen getan. Ich habe dich erschaffen!» ([9], S. 171)

Die typische Redewendung, mit der sie allen aufmunternden Argumenten entgegentraten und jeglichen Zuspruch ablehnten, lautete dann immer: «Ich hab ja vom Leben nichts mehr zu erwarten». Was soll man demgegenüber nun erwidern? — Was hier Not tut, ist eine Wendung in der ganzen Fragestellung nach dem Sinn des Lebens: Wir müssen lernen und die verzweifelten Menschen lehren, dass es eigentlich nie und nimmer darauf ankommt, was wir vom Leben noch zu erwarten haben, vielmehr lediglich darauf: was das Leben von uns erwartet! ([4], S. 124)

Darum sollt ihr nicht sorgen und sagen: Was werden wir essen? Was werden wir trinken? Womit werden wir uns kleiden? Nach dem allen trachten die Heiden. Denn euer himmlischer Vater weiss, dass ihr all dessen bedürft. Trachtet zuerst nach dem Reich Gottes und nach seiner Gerechtigkeit, so wird euch das alles zufallen. Darum sorgt nicht für morgen, denn der morgige Tag wird für das Seine sorgen. Es ist genug, dass jeder Tag seine eigene Plage hat. (Mt 6:31–34)
Life is what happens to you while you’re busy making other plans. (John Lennon in [9], S. 203)

Das Leben stellt jedem eine andre, einmalige Aufgabe, und so gibt es auch nicht eine angeborene und vorbestimmte Untauglichkeit zum Leben, sondern es kann der Schwächste und Ärmste an seiner Stelle ein würdiges und echtes Leben führen und andern etwas sein, einfach dadurch, dass er seinen nicht selbstgewählten Platz im Leben und seine besondere Aufgabe annimmt und zu verwirklichen sucht. Das ist echtes Menschentum und strahlt immer etwas Edles und Heilendes aus, auch wenn der Träger dieser Aufgabe in den Augen aller ein armer Teufel ist, mit dem man nicht tauschen möchte. ([7], S. 70)

Glauben erfordert Mut. Damit ist die Fähigkeit gemeint, ein Risiko einzugehen und auch die Bereitschaft, Schmerz und Enttäuschung hinzunehmen. Wer Gefahrlosigkeit und Sicherheit als das Wichtigste im Leben ansieht, der kann keinen Glauben haben. Wer sich in einem Verteidigungssystem verschanzt und darin seine Sicherheit durch Distanz und Besitz zu erhalten sucht, macht sich selbst zum Gefangenen. Geliebtwerden und lieben brauchen Mut, den Mut bestimmte Werte als das anzusehen, was «uns unbedingt angeht», den Sprung zu wagen und für diese Werte alles aufs Spiel setzen. ([6], S. 168)

Je wendiger unser Bewusstsein, je belesener, um so zahlreicher und um so nobler unsere Hintertüren, um so geistvoller die Selbstverleugnung! Man kann sich ein Leben lang damit unterhalten, und zwar vortrefflich, nur kommt man damit nicht zum Leben, sondern unweigerlich in die Selbstentfremdung. Beispielsweise können wir uns den Mangel an Mut, einmal in die Knie zu gehen, unschwer als gute Haltung auslegen, die Angst vor Selbstverwirklichung unschwer als Selbstlosigkeit. ([5], S. 314)

Aber wie jedermann, der bei sich selbst angekommen ist, blickte er auf Menschen und Dinge ausserhalb seiner selbst, und was ihn umgab, fing an, Welt zu werden, etwas anderes als Projektionen seines Selbst, das er nicht länger in der Welt zu suchen oder zu verbergen hatte. Er selbst fing an, in der Welt zu sein. ([5], S. 398)

Zen substitutes an atmosphere of relaxation, serenity and simplicity for the tensions created by our strivings to «become», to posses and to dominate. […] The moment we are aware of the falseness of such an attitude we «let go,» and the suffering inherent in our inner tensions is succeeded by the felicity and relaxation of Being. ([8], S. 221)

Lange hatte er auch nicht gewusst, was er glauben sollte und ob es nicht überhaupt schmählich war, etwas zu glauben. Jetzt begann er sich selbst zu glauben, wenn er etwas tat oder sich äusserte. Er fasst Vetrauen zu sich. Den Dingen, die er sich nicht beweisen musste, den Poren auf seiner Haut, dem Salzgeschmack des Meeres, der fruchtigen Luft und einfach allem, was nicht allgemein war, vetraute er auch. ([1], S. 136)

Inhalt

References

[1] I. Bachmann: Sämtliche Erzählungen. Piper, 2013. URL http://books.google.com.tw/books?id=1uqyngEACAAJ.

[2] M. Buber: Alles wirkliche Leben ist Begegnung: Hundert Worte (Liesenfeld, S., ed.). Verlag Neue Stadt, 1999. URL http://books.google.ch/books?id=gTp-AAAAMAAJ.

[3] M. Buber: Den Menschen erfahren (Biester, B., ed.). Kiefel, 2000. URL http://books.google.ch/books?id=iF3DAAAACAAJ.

[4] V. Frankl: Trotzdem Ja zum Leben sagen. Ein Psychologe erlebt das Konzentrationslager. Deutscher Taschenbuch Verlag, 2008. URL http://books.google.ch/books?id=46lH0NMFnqsC.

[5] M. Frisch: Stiller: Roman. Suhrkamp Verlag, 1996. URL http://books.google.ch/books?id=0gxopwAACAAJ.

[6] E. Fromm: Die Kunst des Liebens. Manesse-Verlag, 2000. URL http://books.google.ch/books?id=KoJUAAAACAAJ.

[7] H. Hesse: Lektüre für Minuten: Gedanken aus seinen Büchern und Briefen (Michels, Volker, ed.). Suhrkamp Verlag, 1971. URL http://books.google.ch/books?id=CUlcAAAAMAAJ.

[8] N. W. Ross: The world of Zen: an East-West anthology. Random House, 1960. URL http://books.google.ch/books?id=N1tHnQEACAAJ.

[9] B. M. Schleeger: Und wo ist das Problem?. Peter Hammer Verlag, 2008. URL http://books.google.ch/books?id=a0anAAAACAAJ.

PDF-Datei

Hedinger 2014 Zitatesammlung