«Eine kleine Chance gibt es noch», denkt sich Thomas als er an Marianne denkt, die mit ihm zusammenarbeitet, in die er sich vor drei Monaten verliebte, als sie scheinbar immer wieder seine Nähe suchte und ihn anlächelte; zumindest kam es ihm so vor. Es muss wohl ein Missverständnis seinerseits gewesen sein, doch das spielt keine Rolle mehr. Er liebt sie oder vielleicht einfach eine Vorstellung von ihr. So klar ist das nicht.
Thomas liegt im Bett, die Wanduhr tickt anscheinend immer lauter werdend. Es ist schon nach Mitternacht. 2:30 Uhr. Er wälzt sich hin und her, und seine Gedanken kreisen wie ein Strudel, wie ein Wirbelsturm um «seine» Marianne. «Seine» Marianne nämlich ist in ihn verliebt, er sieht sie ganz deutlich vor sich. Sie lächelt ihn an, berührt ihn scheinbar unabsichtlich am Arm, während sie ihm eine lustige Begebenheit berichtet auf dem Weg zum Parkplatz. Nach einem kurzen Moment der Stille wollen beide gerade gleichzeitig mit dem nächsten Satz das Gespräch wieder fortsetzen. Während er innehält, fragt sie ihn, ob sie mal nach der Arbeit etwas zusammen unternehmen sollen. So treffen sie sich mal, um zusammen spazieren zu gehen. Irgendwo im Wald bleiben sie stehen, sie schauen sich an, dann schliessen sie die Augen und ihre Lippen berühren sich plötzlich ganz sanft und wie in Zeitlupe. Der innere Film zerreisst abrupt. Er weiss genau, dass diese Phantasie nichts mit der Wirklichkeit zu tun hat. Einmal mehr versucht er, «seine» Marianne zu Grabe zu tragen. Der Film beginnt wieder zu rattern, Abschiedsszenen werden gezeigt, ein realer Schmerz lodert wie ein Feuer hinter dem Brustbein. Dann wälzt er sich auf die andere Seite. «Seine» Marianne versucht ihn zu trösten, streichelt ihn. Wieder im Wald, ihn sehnsüchtig anblickend. Nochmals ein Kuss. Plötzlich wandelt sich ihr Blick, er wird traurig. Sie winkt mit Tränen in den Augen, dreht sich um und rennt davon. Jetzt kommt ihm in den Sinn, dass Marianne ihn beim gestrigen Mittagessen gar nicht beachtete. So dreht es sich die ganze Nacht. So dreht er sich die ganze Nacht. Marianne schläft auch irgendwo und hat keine Ahnung, wie Thomas leidet. Marianne ist vergeben. Marianne wird es nie erfahren.
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