Über die Liebe ist schon viel geschrieben worden, so viel, dass man eigentlich meinen könnte, es sei schon alles gesagt worden. Nun entwickeln sich die Umstände, bzw. der Rahmen für die Liebe weiter und was sich eben auch verändert, ist das Verständnis von dem, was Liebe ist. Dann ist die Liebe auch unterschiedlich je nach Objekt, auf welches sie gerichtet ist.
Es sind mir in den letzten Jahren ein paar Bücher zum Thema «Liebe» in die Hände gekommen. Von jedem Buch habe ich etwas besonderes gelernt; und ich würde sicherlich wieder neues, anderes lernen, wenn ich diese Bücher nochmals lesen würde.
Von Lauster(1) lernte ich, dass Liebe frei von Besitzergreifen und Besitzdenken sein muss, damit sie sich entfalten kann. Liebe wird vor allem auch als sinnliche Erfahrung gedeutet. Bei Fromm(2) bekam ich die Einsicht, dass das Lieben einerseits eine Antwort auf das existenzielle Problem der Isolation ist. Andererseits, und deshalb habe ich gerade von «Lieben» gesprochen anstatt von «Liebe», ist eben die Liebe ein Tun, das von Liebesgefühlen begleitet werden kann, aber nicht muss, und das seinerseits Liebesgefühle auslösen kann, aber nicht muss. Fromm unterscheidet auch die Verliebtheit, die von starken Gefühlen getragen ist, welche motivierend für liebende Taten sind, so dass diese wie «von alleine» geschehen, und dem tätigen Lieben. Verliebtheitsgefühle flachen ab, können wieder mal aufflammen, doch Verlass ist darauf nicht. Und gerade darum ist es für längere, feste Bindungen von Bedeutung, dass die Liebe durch ein Tun, durch eine spezifische Haltung begründet wird. Da haben wir Einfluss, und da können wir auch verlässlich sein. Buber entwickelt in seinem Hauptwerk «Ich und Du»(3) die These, dass es zwei Arten des Bezugs auf andere gibt: Einerseits ist da die Begegnung, das wirkliche Gegenübertreten als Ich-Du-Beziehung. Andererseits steht dem die Ich-Es-Welt gegenüber, die Welt des Gebrauchens und des Erfahrens. Man könnte vielleicht auch sagen, die Welt des pragmatischen Alltags. Momente der Begegnung können nicht erzwungen werden, es kann jedoch eine Haltung entwickelt werden, im Sinne einer achtsamen Aufmerksamkeit, die solche Momente ermöglicht. Und von Mal zu Mal stellen sich diese Momente auch ein. Das liebende Tätigwerden findet in der Ich-Es-Welt statt. Das Begegnen, das wirkliche Sehen des anderen, als Basis der Beziehung ist jedoch schliesslich der effektive Stoff der Bindung. Und nun komme ich zu Schmid(4). Seine Idee der Liebe, die sich zwischen der Polarität schöner Momente der Nähe und den Alltagsrealitäten mit Distanz und oft weniger schönen Momenten hin- und herpendelt und damit «atmet», sieht der Betrachtung von Buber mit der Ich-Du- und Ich-Es-Welt sehr ähnlich. Ganz überschneiden tun sich die Ideen jedoch nicht. Nähe kann durchaus in der Welt des Gebrauchens stattfinden, z.B. die körperliche Nähe. Eine wirklich verbindende Nähe hingegen wird durch das wirkliche Gegenübertreten, das wirkliche Begegnen genährt. Was mir an Schmids Ausführungen sehr gefällt, ist, dass sie weder idealistisch noch utopisch sind. Bei Buber, Fromm und auch Lauster wird ein Ideal aufgezeigt, das schliesslich keiner erreichen kann (Ich habe mir dann immer gedacht, dass eben diese Herren, das alles drauf hatten, bzw. haben … doch das ist Illusion!). Soll ein Buch auch beim Leser etwas nachhaltiges bewirken, dann muss es den Realitäten des Menschseins Rechnung tragen, d.h. die Menschen dort abholen, wo sie sind. Das tun eben die Zeilen von Schmid. Er macht keinen Hehl daraus, im gleichen Boot zu sitzen. Er zeigt das auf, was möglich ist und macht damit Mut, sich eben in jene Richtung vorzuwagen, in die Buber, Fromm und Lauster zeigen.
Das Buch «Liebe: Warum sie so schwierig ist und wie sie dennoch gelingt»(4) ist ein sehr schönes, kleines Buch, das meines Erachtens einiges an Klarheit in das Thema «Liebe» bringt, selbst zum Reflektieren anregt und schliesslich ermutigt, in die Liebe zu investieren, auch in die Liebe zum Leben im Sinne einer Lebensführung, die wir schliesslich selbst (zum grossen Teil – auch hier wird das Nichtbejahen als Realität, als Polarität anerkannt) bejahen können.
Literatur
1. Lauster P. Die Liebe: Psychologie eines Phänomens. 30. ed. Rowohlt Taschenbuch Verlag; 2000. Available from: http://books.google.ch/books?id=wv5BPwAACAAJ
2. Fromm E. Die Kunst des Liebens. Manesse-Verlag; 2000. Available from: http://books.google.ch/books?id=KoJUAAAACAAJ
3. Buber M. Ich und Du. 13. ed. Lambert Schneider; 1997. Available from: http://books.google.ch/books?id=s_DCRwAACAAJ
4. Schmid W. Liebe: Warum sie so schwierig ist und wie sie dennoch gelingt. 4. ed. Insel Verlag; 2014. Available from: https://books.google.ch/books?id=Hv25pwAACAAJ