Angst – Stefan Zweig

Schon seit längerer Zeit habe ich keine Erzählung mehr gelesen. Die Novelle «Angst» von Stefan Zweig (17. Auflauge, 12/2013) zeigt auf sehr anschauliche Weise, ja mit kräftig metaphorischer Sprache und psychologischem Feingefühl zwei allzu menschliche Themen und Dilemmata.

Zweig 1910 Angst

Das erste Dilemma besteht im Gegenüberstehen eines lauen, bürgerlichen, relativ sorgenfreien Lebens mit dem begleitenden Gefühl, am wirklichen Leben nicht Teil zu haben, und dem Wunsch nach Abenteuer, nach Ausbruch vermischt mit der oft ebenso starken Angst, diesem Wunsch zu folgen, bzw. vor den möglichen Konsequenzen, die mit der Umsetzung des Wunsches verknüpft sein könnten. Aber selbst das Abenteuer mit ihrem heimlich Geliebten webt Irene so in ihr Leben ein, dass es nach der Verflüchtigung des anfänglichen Zaubers nur mehr eine Erweiterung des bisherigen bürgerlichen Lebens ist, oder anders gesagt, dasselbe in neuem Gewand. Der Autor stellt die Diagnose, wobei er den Leser im Unklaren lässt, ob dies auch Irene selbst bewusst war…

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Wilhelm Schmid – Schönes Leben?

«Schönes Leben? Einführung in die Lebenskunst» ist das dritte Buch, das ich von Wilhelm Schmid gelesen habe. Das Buch enthält wenig konkretes (vielleicht darf man das von einem philosophischen Buch auch nicht erwarten) und schwankt hin und her so wie: einerseits …, jedoch andererseits … Dennoch gab es für mich in ihm einige Schätze, für die sich das Lesen der rund 200 Seiten auch gelohnt hat.

Ein Schatz ist die Idee der essayistischen Lebensweise, über die ich schon in einem anderen Artikel ausführlicher nachdachte. Letztlich ist es ein Imperativ, neue Dinge auszuprobieren, neue Erfahrungen zu machen oder offen zu sein für neue Erfahrungen, die durch den Zufall angeschwemmt werden, sich also auch dem Zufall zu überlassen. «Montaigne und Nietzsche […] üben sich in der Akzeptanz der Kontingenz und machen dies zum Bestandteil der essayistischen, experimentellen Existenz.» (S. 91) «Die Wahl, die angesichts des Zufalls in jedem Fall besteht, ist die der Haltung, die das Selbst dazu einnimmt.» (S. 92)

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Wilhelm Schmid – Die Liebe atmen lassen

Wenn ich ein Buch lese, dann markiere ich Stellen, die mich besonders ansprechen, auch in Dichtungen. Unter diesen kennzeichne ich die wichtigsten mit einem Stern. Das Buch «Die Liebe atmen lassen» von Wilhelm Schmid ist reichhaltig an Gedanken, hat einen manchmal etwas verborgenen roten Faden, so dass es mir nun nach dem Lesen des Buches schwer fällt, die Essenz des Buches, so wie ich sie verstand, auf einen Punkt zu bringen, ausser dass jeder selbst für sich die Liebe definieren und sich überleben muss, wie er sie in seinem Leben umsetzt. Ich dachte mir, ich gehe die Stellen nochmals durch, die ich mit einem Stern hervorgehoben habe und äussere meine Gedanken dazu, weshalb mir eben gerade diese Stelle besonders bedeutsam ist.

Schmid 2013 Die Liebe atmen lassen

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Wilhelm Schmid – Liebe: Warum sie so schwierig ist und wie sie dennoch gelingt

Über die Liebe ist schon viel geschrieben worden, so viel, dass man eigentlich meinen könnte, es sei schon alles gesagt worden. Nun entwickeln sich die Umstände, bzw. der Rahmen für die Liebe weiter und was sich eben auch verändert, ist das Verständnis von dem, was Liebe ist. Dann ist die Liebe auch unterschiedlich je nach Objekt, auf welches sie gerichtet ist.

Es sind mir in den letzten Jahren ein paar Bücher zum Thema «Liebe» in die Hände gekommen. Von jedem Buch habe ich etwas besonderes gelernt; und ich würde sicherlich wieder neues, anderes lernen, wenn ich diese Bücher nochmals lesen würde.

Schmid 2014 Liebe

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Peter Noll – Diktate über Sterben und Tod

Ich sammle Werke, die existentialistisch sind, also ans Wesentliche rühren. «Diktate über Sterben und Tod» von Peter Noll ist ein solches Buch. Es berührt sehr tief, so wie es immer der Fall ist, wenn wir mit den existenziellen Tatsachen des Menschseins konfrontiert sind, in diesem Fall mit dem Tod. Irvine Yalom, der seinerseits mit existenziellen Themen im Rahmen des Leitens von Therapiegruppen für krebskranke Menschen in Berührung kam, befasst sich bis heute mit der Frage, wie diese Erfahrung, diese Läuterung Menschen zuteil werden kann, die eben nicht so offensichtlich und direkt mit der Endlichkeit ihrer Existenz konfrontiert sind. Ich glaube z.B. dass die Kōans im Zen Buddismus genau diese Funktion haben.

Noll 2009 Diktate über Sterben und Tod

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Wie wollen wir leben?

Das Buch «Wie wollen wir leben?» von Peter Bieri (Bieri, 2013)⁠, das ich zufälligerweise in einer Buchhandlung aufhob, da die Frage im Titel auch mich beschäftigt, ist eines der besten Bücher, die ich in der letzten Zeit entdeckt habe. In diesem Text versuche ich die Einsichten von Bieri in mir bekannte psychotherapeutische Konzepte und meine Erfahrungen und eigenen Einsichten einzuordnen. Seitenzahlen ohne die Angabe einer Quelle beziehen sich auf oben genanntes Buch.

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Peter Bieri – Wie wollen wir leben?

Vor ein paar Tagen in einem Buchladen, als ich gerade vor der Kasse anstehen wollte, zog ein Buch mit dem Titel «Wie wollen wir leben?» meine Aufmerksamkeit auf sich. Ich blätterte ein bisschen darin herum. Weil mich die paar Sätze nicht abschreckten, kaufte ich das Buch kurzentschlossen. Jetzt habe ich das erste Kapitel des Buches gelesen und bin begeistert, im wahrsten Sinne des Wortes. Neue oder auch gleiche Perspektiven auf Themen, die mich persönlich, aber auch bei meiner Arbeit beschäftigen. Inhaltlich werde ich darauf an anderer Stelle noch eingehen.

Bieri 2013 Wie wollen wir leben

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Hermann Hesse – Kinderseele (1920)

Gestern ist mir wieder einmal die Erzählung «Kinderseele» von Hermann Hesse begegnet (in «Die schönsten Erzählungen», 2004, Suhrkamp-Verlag). Der Text ist aufgrund seines Alters frei verfügbar im Rahmen des Project Gutenberg. Von dort habe ich auch den Text herauskopiert, den ich hier zur Verfügung stelle: Hermann Hesse 1920 Kinderseele.

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Viktor Frankl – … trotzdem Ja zum Leben sagen

Viktor Frankl, Begründer der Logotherapie, beeindruckt durch seine Authentizität, die sowohl im Film als auch im gleichnamigen Buch (s.u.) deutlich spürbar wird. In der modernen Psychotherapie – im Gegensatz zur Logotherapie – ist die Frage nach dem Sinn weitgehend ausgeklammert; man verweist auf andere Disziplinen, wie die Philosophie und die Theologie, die dafür zuständig seien.

Ich bin damit einverstanden, dass die Psychotherapie inhaltlich zur Frage des Sinns keine Stellung nehmen muss, ja vielleicht keine Stellung dazu nehmen darf. Dies schliesst jedoch nicht aus, dass die Frage nach dem Sinn Teil des psychotherapeutischen Prozesses sein soll. Gelingt die Sinnfindung, dann erscheinen die Symptome plötzlich in einem neuen Licht. «Angstexposition, um die Angst weg zu machen» (Symptomorientierung – klassische kognitive Verhaltenstherapie) versus «dem Sinn folgen und dabei Angstgefühle in Kauf nehmen» (d.h. Angstexposition als Nebenprodukt, wobei der Endpunkt nicht bei der Angstfreiheit, sondern bei einem sinnorientierten Leben liegt – Wert- bzw. Sinnorientierung – z.B. Akzeptanz- und Commitment-Therapie).

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Die Einheit in der Liebe (1999)

Ab 1998 befasste ich mich während zwei Jahren intensiv mit dem christlichen Glauben, bzw. der christlichen Bibel. In einem Versuch, meinen eigenen (von keiner Institution vorgegebenen) damaligen Zugang zur Bibel für mich selbst zu ordnen und zusammenzufassen, entstand ein längerer Text, den ich trotz meiner jetzigen Haltung, die am ehesten als agnostisch bezeichnet werden könnte, in vieler Hinsicht immer noch interessant finde. Einiges hat durchaus für mich nach wie vor Gültigkeit.

Der Text strahlt auch eine gewisse jugendlich-naive Begeisterung (im wahrsten Sinne des Wortes) aus, die ich auch tatsächlich hatte. Ich dachte, ich hätte endlich verstanden, um was es in der Bibel eigentlich geht …

Der Leser möge den Text als Anregung und Ausgang für eigene Überlegungen nutzen. Here it is: Hedinger 1999 Die Einheit in der Liebe.