Schon seit längerer Zeit habe ich keine Erzählung mehr gelesen. Die Novelle «Angst» von Stefan Zweig (17. Auflauge, 12/2013) zeigt auf sehr anschauliche Weise, ja mit kräftig metaphorischer Sprache und psychologischem Feingefühl zwei allzu menschliche Themen und Dilemmata.
Das erste Dilemma besteht im Gegenüberstehen eines lauen, bürgerlichen, relativ sorgenfreien Lebens mit dem begleitenden Gefühl, am wirklichen Leben nicht Teil zu haben, und dem Wunsch nach Abenteuer, nach Ausbruch vermischt mit der oft ebenso starken Angst, diesem Wunsch zu folgen, bzw. vor den möglichen Konsequenzen, die mit der Umsetzung des Wunsches verknüpft sein könnten. Aber selbst das Abenteuer mit ihrem heimlich Geliebten webt Irene so in ihr Leben ein, dass es nach der Verflüchtigung des anfänglichen Zaubers nur mehr eine Erweiterung des bisherigen bürgerlichen Lebens ist, oder anders gesagt, dasselbe in neuem Gewand. Der Autor stellt die Diagnose, wobei er den Leser im Unklaren lässt, ob dies auch Irene selbst bewusst war…